Terror in Wien
Es ist ein lauer Abend am Montag, den 2. November 2020. Viele WienerInnen treffen noch einmal Freunde in den Bars und Schanigärten, bevor am nächsten Tag der zweite Lockdown beginnt. Stefan Grasel, stellvertretender Leiter der Katastrophenhilfe beim Samariterbund Wien, ist bereits zuhause in seiner Wohnung in Wien Floridsdorf, als ihn um 20:15 Uhr ein erster Voralarm erreicht: „Schusswechsel im 1. Bezirk. Noch keine weiteren Infos verfügbar. Derzeit noch keine Zufahrt möglich.“ An diesem Tag ist er als Hauptinspektionsoffizier für das Sanitätsteam Wien im Dienst, zu dem die vier Wiener Blaulichtorganisationen Samariterbund, Rotes Kreuz, Johanniter und Malteser sowie die Berufsrettung gehören. Grasel überprüft sofort die verfügbaren Einsatzfahrzeuge sowie die personellen Reserven mit der Leitstelle und kontaktiert seine Kollegen Thomas Kiesling, Bernhard Schwarz und Harald Knödler. Als er kurz darauf die Alarmierung zum Einsatzort am Schwedenplatz erhält, eilt er mit Blaulicht Richtung Innere Stadt, wo er neun Minuten später eintrifft. Ein Terrorist hatte wenige Minuten zuvor im Wiener „Bermuda Dreieck“ wahllos auf Menschen geschossen, dabei vier getötet und über 20 zum Teil schwer verletzt, und ist dabei selbst ums Leben gekommen. Zu diesem Zeitpunkt geht man noch von mehreren flüchtigen Tätern aus. Die Einsatzkräfte sind mit einer völlig unübersichtlichen Lage konfrontiert. „Ich habe die Anweisung erhalten, hinter Fahrzeugen in Deckung zu gehen, da man mit weiterem Schusswechsel rechnen musste“, erinnert sich Grasel: „Die Lage war hochdynamisch.“ Selbst für einen sehr erfahrenen Sanitäter ist ein Einsatz mitten in der Gefahrenzone eine besondere Herausforderung. Denn im Gegensatz zur Polizei verfügen RettungssanitäterInnen über keine ballistischen Helme, schusssichere Westen oder Waffen zur Verteidigung. Für die Evakuierung Schwerverletzter sind bereits die speziell als Rettungs- und NotfallsanitäterInnen ausgebildeten Beamten der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) vor Ort. Grasel alarmiert über die Einsatzmodule die anderen Blaulichtorganisationen und fordert Verstärkung an. Zeitgleich läuten die Telefone beim Samariterbund Wien in der Zentrale in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus heiß. Dort ist Bernhard Schwarz als Einsatzleiter für das organisationsinterne Management zuständig. Bald ist klar, dass der Einsatz mehr Personal erfordert als im Bereitschaftsdienst zur Verfügung steht. „Über zwei Systeme habe ich unsere Ehrenamtlichen kontaktiert“, so Schwarz: „Die Rückmeldungen waren überwältigend!“ Innerhalb kürzester Zeit melden sich rund 120 Freiwillige und Zivildienstleistende. Schwarz koordiniert die Fahrzeugvergabe und gibt die Einsatzaufträge an die RettungssanitäterInnen weiter. „Viele der Sanitäter und Sanitäterinnen sind in ganz anderen Bereichen, etwa bei den COVID-19-Teststraßen, tätig. Etliche haben sich sofort freiwillig zum Einsatz gemeldet. Es galt zu dieser Zeit eine wienweite Bedrohungslage. Bei vielen hat man gemerkt, dass der Adrenalin-Kick hoch war.“ Den gesamten Artikel können sehen Sie unterhalb einsehen! Quelle: Samariterbund, SAM Wien aktuell, Susanne Kritzer, Fotos: Samariterbund120 freiwillige HelferInnen im Einsatz, darunter auch die MALTESER